Maren Astrid

Ein Paar er im Stehrollstuhl, sie stehend schauen sich in die Augen

Zurück auf Augenhöhe | Hält der Stehrollstuhl, was der Hersteller verspricht - YouLife.Rocks probierts

Per Knopfdruck aus der Sitzposition zum Stehen: Der LEVO LCEV ist ein wendiger Kompaktrollstuhl mit integrierter, elektrischer Stehfunktion. Stufenlos kann der kräftige Aufstehmotor, der von zwei 12V/2.7Ah Batterien angetrieben wird, Sitzwinkel und Stehpositionen bis zu einer maximalen Stehposition von 86° erreichen. Alexander Lang bewertet den manuell fahrbaren Rollstuhl mit Stehfunktion nach den ersten Wochen im Alltagseinsatz.

Dem Stehrolli sieht man es nicht an...

Ein Finger reicht aus, um den kleinen Metallstift am abschwenkbaren Oberkörperbügel zu bedienen. Dann gleitet Alexander Lang mit seinem neuen Kompaktrollstuhl des schweizer Herstellers Levo aus der Sitzposition nach oben in die Stehposition. Das leichte Handling beim Positionswechsel ist ein Pluspunkt für Alexander Lang, der wegen einer inkompletten Paraplegie ab dem zwölften Brustwirbel abwärts seit über 30 Jahren im Rollstuhl sitzt. Das medizinisch notwendige, regelmäßige Stehtraining zu Hause gehört für ihn seit dem Unfall zum Alltag. Anfangs mit einer stationären Stehhilfe, die letzten zehn Jahre in einem Stehrollstuhl älterer Bauart, der jetzt durch das neue Modell ersetzt wurde. „Der alte Stehrollstuhl war im Haus sehr schwer und sperrig und von der Bedienung her, z.B. das Anlegen der Kniehalter, ein wenig umständlich. Außerdem gab es für meinen bisherigen Stehrollstuhl keine Ersatzteile mehr“, nennt Alexander die Gründe für den Antrag auf einen neuen Stehrollstuhl. Da dieser hauptsächlich im häuslichen Bereich, inklusive des dortigen Büros, benutzt werden soll, waren Türen, Rampen, Gartenzugängen, kleinere Räume und der Plattformlift die Knackpunkte, die bei der Vorortvorstellung durch den Hersteller ausgiebig getestet wurden. Und natürlich das Übersetzen in den Rollstuhl mit Stehfunktion.

Der im Haltebügel intergrierte Kippschalter ist leichtgängig bedienbar und kann bei Bestellung auch auf der anderen Seite geordert werden
Zum Laden des Akkus wird der Stecker des Akkus auf dem Haltebügel gezogen und einfach mit dem Ladegerät verbunden.

Ein Test mit überzeugendem Ergebnis, wie Alexander beschreibt: „Beim Übersetzen klappt man von den beiden seitlichen Haltebügeln, die den Oberkörper beim Stehen fixieren, den auf der Einstiegsseite nach oben. Trotz ihrer Stabilität sind die Bügel sehr leichtgängig. Den Kleiderschutz aus Karbon kann man aushängen, muss man aber nicht, da die Fläche davor für das Übersetzten ausreichend ist. Nach dem Abklappen der Haltebügel kann man nach hinten rutschen. Den Kniehalter hängt man dann an zwei, links und rechts seitlich am Rahmen angebrachten Ösen ein.  Dabei ist, je nach Einstellung, ein wenig Kraft erforderlich. Der Kniehalter fixiert die Beine so, dass sie an keine harten Stellen des Rahmens andrücken. Dies ist bei meiner Hüftstellung sehr wichtig, da sich meine Beine immer nach außen öffnen. Beim alten Stuhl musste ich das Rahmenteil mit Schaumstoff abpolstern, dies ist beim neuen Modell nicht mehr notwendig. Ein Beckengurt fixiert den Oberkörper und die Armstützen geben bei einer tiefen Lähmungshöhe zusätzlich Halt.“

Ein gepolsteter Gurt hält die Knie nicht nur im Stand auf der richtigen Position
Die Kniepolsterung wird einfach mit dem Metalhaken über die Öse gezogen und hält bombensicher. Mit ein wenig Übung sozusagen ein "Fingerspiel"

In der Sitzposition als Rollstuhl genutzt beschreibt Alexander den LEVO LCEV als trotz relativ großer Sitzbreite kompaktes Modell, das leicht rollt; mit nach hinten ausklappbaren Kippsicherungen. Selbst zur vollen Stehhöhe ausgefahren, bleibt der Stehrollstuhl stabil: „Beim Aufrichten verlagert sich das Gewicht der Person auf das Fußbrett, welches dann auf dem Boden aufliegt. Der Schwerpunkt ist so auf den Stuhl ausgerichtet, dass eine stabile Haltung entsteht. Man fühlt sich wirklich sicher“, so der Eindruck nach dem ersten Stehtest. 

Das Trittbrett im Rollstuhlbetrieb
Beim Stehbetrieb senkt sich das Trittbrett auf den Boden ab und nimmt so das ganze Gewicht auf. Der Stehende erhält so stabilität.
Die herausklappbare Kippsicherung gibt ein zusätzliches gutes Gefühl. Wird aber tatsächlich mehr im Rollstuhlbetreib benötigt. Das Gewicht ist ja auf dem Trittbrett.

Zum Einsatz kommt der Stehrollstuhl bei Alexander vor allem zu Hause und im Büro. Durch die stufenlos in verschiedenen Höhen einstellbaren Sitzpositionen einerseits als Abwechslung und Entlastung zur immer gleichen Sitzhaltung. In Stehposition andererseits, um in Haushalt und Büro die Reichweite nach oben zu erweitern, um auf Augenhöhe mit anderen zu stehen“ und um die verkürzten Muskeln und Bänder zu dehnen. Das Stehen auf Augenhöhe ist für Alexander „eine komplett andere Haltung, man fühlt einmal wieder wie groß man eigentlich ist und die Perspektiven verändern sich, das ist schon ein tolles Gefühl. Man sollte sich aber an die volle Stehhöhe herantasten, der Kreislauf wird es einem Danken.“ Nicht nur was die Muskeln und vor allem den Muskelkater nach den ersten Stehversuchen betrifft, rät er zur langsamen Annäherung an die ungewohnte Stehposition. „Tatsächlich kann es beim schnellen Aufstehen, aber auch bei den ersten Stehversuchen zu Kreislaufthemen kommen. Klar, der Körper, Augen und Gehirn bekommen neue oder lange nicht genutzte Impulse“, gibt er zu bedenken und fügt selbstkritisch hinzu: „Ich habe es natürlich gleich mal übertrieben und hatte einen gehörigen Muskelkater im Rückenbereich.“

Die Höhe läst sich am elektrischen Modell stufenlos anpassen, was zum Beispiel bei unterschiedlichen Höhen von Tischen und / oder Arbeitsplatten ein Vorteil ist.
Die Zwischenhöhe hilft auch bei der Entlastung durch die geänderte Sitzposition

 

Nach den ersten Tagen im Alltagsgebrauch fällt das Fazit für den LEVO LCEV, mit zwei winzigen Einschränkungen, positiv aus: Der Stuhl ist wendig und leicht zu bewegen. Auch bei größeren Sitzbreiten ist er immer noch im Haus nutzbar und die stufenlose Höhenverstellung bei der elektrischen Ausführung ist beim täglichen Einsatz im Büro eine enorme Hilfe, um beispielsweise Ordner vom Regal zu holen oder um sich mit unterschiedlichen Sitzhöhen zu entlasten. Im Vergleich zum Vorgängermodell ein wirklicher Fortschritt im Gewicht. Negatives, außer vielleicht der klapprige Kleiderschutz aus Carbon und das Einhaken der Beingurte, das etwas Geschick und Kraft erfordert, habe ich noch nicht festgestellt. Ich denke aber mit der Zeit wird bestimmt etwas auftauchen, das teile ich auch dann gerne mit. Alles in Allem ist es ein cooles Produkt, das mehr Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld bringt und darauf wartet auch einmal außer Haus ausprobiert zu werden. 

Jubel, Jubel - da steht er, in voller Größe mit seinen 186 cm - ein gutes Gefühl!!

Expertentipp:
Armin Schönberner vom Sanitätshaus Hille in Mühlacker erklärt hierzu: "...beantragt wird der Rollstuhl grundsätzlich über das Sanitätshaus und dann mit den entsprechenden Argumenten bei der Krankenkasse eingereicht. Das Hilfsmittel kann u.U. auch über die Rentenversicherung oder Arbeitsagentur eingereicht werden. Die Verordnung lautet in diesem Fall nicht auf Rollstuhl, sondern Stehübungsgerät zur selbstständigen Nutzung. Es ist immer eine Erprobung erforderlich, die Argumentation übernimmt das Sanitätshaus. Verordnen kann man den Stuhl z.B. bei MS, Querschnitt oder allen weiteren Diagnosen, welche ein selbstständiges Stehen nicht ermöglichen, aber genügend Armkraft zum Fortbewegen vorhanden ist."

Text und Bilder Maren Astrid für Youlife.Rocks

Rollstuhl aus Eigenbedarf

Kommentare

Rudi

Hallo Alexander Lang,

Meine Frau leidet seit 40 Jahren an MS. Seit Jahren progredient. 

Scheint ja ein prima Ding zu sein. Wie schwer war es, dieses Hilfsmittel von der Kasse (neben einem noch vorhandenen Rolli) zu bekommen?

Die AOK macht bei fast allen Hilfsmitteln Schwierigkeiten und das Gerät ist bestimmt nicht ganz günstig. 

Unterstützt die Batterie auch die Vorwärtsbewegung oder "nur" das Aufstellen. 

Ist es gut gegen die Spastik in den Beinen bei MS?...oder schließt Spastik die Anwendung aus? Wenn wenig Kraft in den Armen ...geht es trotzdem?

Liebe Grüße 

Rudi Krauter

 

 

 

Lieber Rudi Krauter,

auf Deine Frage wie schwer es war - gar nicht schwer! Schau mal im gelben Kasten "Expertentipp" - Zitat: "Die Verordnung lautet in diesem Fall nicht auf Rollstuhl, sondern Stehübungsgerät zur selbstständigen Nutzung" das sollte in der Verordung des Arztes stehen. Damit ist es kein "Rollstuhl" sondern ein "Stehübungsgerät" der nebenbei halt eine Roillstuhlfunktion hat! Der nette Nebeneffekt, ihr habt einen Leichtlaufrollstuhl für zuhause. ;-)

Tatsächlich unterstürzt die Batterie nur das Aufstehen. Es gibt allerdings auch Elektrorollstühle mit Stehfunktion die gibt es auch von LEVO und anderen Hersteller. Wie ebenfalls im Kasten beschrieben, würde ich eine Erprobung des Rollstuhl oder ggf.  verschiedenen Modelle mit Eurem Sanitätshaus vereinbaren.

Ansonsten einfach nochmals fragen!

 

 

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