Räder sind sein Ding: Peter Müller ist Rollstuhlfahrer, wie auch Kumpel Florian Lenerz, mit dem er das Projekt gemeinsam betreibt. Die zwei sind ein eingespieltes Team. „Ich bin der Mann fürs Grobe“, lacht er, „Florian ist ein echter Experte. Wenn ich nicht weiter weiß – er kennt sich aus!“ Mit im Boot ist auch Peter Müllers Vater, der beim Ausliefern der Räder hilft. Eine wichtige Aufgabe. „Wir müssen 100 bis 200 km fahren, um ein Fahrrad auszuliefern“, erläutert Müller.
Spender und Interessenten findet er meist über Facebook. „Angebot und Nachfrage passen gut zusammen.“ Auf Herz und Nieren prüfen lassen muss sich daher niemand, der um ein Fahrrad bittet. Müller setzt auf Vertrauen. „Wir kontrollieren vorher nicht, ob jemand wirklich Flutopfer ist.“ Die Methode hat sich bewährt und die Hilfe wird mit großer Dankbarkeit angenommen. „Besonders gern denke ich an die irakische Familie, der wir ein Fahrrad brachten. Ihr Keller war überschwemmt, sie hatten kein Auto mehr“, erzählt Peter Müller. „Sie waren sehr dankbar und haben uns gleich zum Essen eingeladen. Das war sehr bewegend.“
Rund ein Dutzend Fahrräder haben er und Florian Lenerz schon klar gemacht. Nochmal so viele warten auf die Instandsetzung. Und das kostet. Meist sind neue Reifen fällig, auch die Bremsen müssen ersetzt werden. Dreißig bis vierzig Euro pro Rad sind da schnell weg. Je nach Bedarf werden sogar Gebrauchträder hinzugekauft. Und dann sind da noch die Spritkosten. „Erstmals interessiert sich jetzt ein Großspender für unser Projekt, aber bislang bestreite ich das alles aus eigenen Mitteln“, so der sympathische Rheinland-Pfälzer. „Mir geht es gut, auch finanziell.“
Doch die Kosten sind nur das Eine. Auch der Arbeitsaufwand ist enorm. „Für jedes Fahrrad benötigen wir zwei bis drei Stunden. Aktuell fokussieren wir uns auf Kinder- und Jugendräder, damit der Aufwand im Rahmen bleibt“, erläutert Müller, der sich als alleinerziehender Vater die halbe Woche um seine beiden Kinder kümmert – und das mit Hingabe. „Partnerin und Kinder kommen immer an erster Stelle“, betont er.
Und dann ist da noch das Rollstuhl-Schulprojekt (www.rollstuhl-schulprojekt.de). „Meine Kinder und deren Freunde wachsen durch mich ganz selbstverständlich mit dem Rollstuhl und einer Behinderung auf. Für sie ist das ganz normal, aber das geht nicht allen so“, sagt der gelernte Dachdecker, der 2003 auf dem Weg zu einer Baustelle mit dem Motorrad verunglückte. „Ich rutschte mit der Maschine auf einer Ölspur aus und verletzte mir dabei die Wirbelsäule so stark, dass ich ab dem 7. Brustwirbel komplett querschnittgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen bin“, so der leidenschaftliche Biker, der heute mit Beiwagen unterwegs ist. „Es kam für mich die Frage auf: Wo habe ich die Möglichkeit, einer großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen etwas über meine Behinderung und das Leben zu erzählen? Da kam mir die Schule in den Sinn!“
Gesagt, getan: „Alles fing 2018 in der Schule meiner Tochter an, wo ich auch Elternsprecher war“, erzählt Müller. „Bei einer Konferenz habe ich diesen Vorschlag gemacht und alle waren begeistert!“ Gleich der erste Kurs war ein voller Erfolg. „Ich habe danach von jedem Schüler einen Brief bekommen. Sie schrieben, ich solle wiederkommen!“
Mit der Zeit feilte Peter Müller das Konzept weiter aus. Mittlerweile haben mehr als 400 Schüler seine Kurse besucht, vor allem im Raum Eifel – Mosel. „Demnächst habe ich ein Projekt in Aachen“, so Müller, der sogar schon Anfragen aus Südtirol, Bayern und Sachsen bekam. „Die Lehrer sind immer ein bisschen neidisch, weil bei meinen Kursen interessiertes Schweigen herrscht“, schmunzelt er. „Ich habe einen sehr guten Draht zu Kindern.“
Gut vier Schulstunden beansprucht sein Programm, das aus einem Theorie- und einem Praxisteil besteht, in dem die Schüler Rollstuhlfußball mit dem Pezziball spielen dürfen. „Neben der Aufklärung über mein Handicap geht es in dem Rollstuhl-Schulprojekt auch darum, Missverständnisse und Berührungsängste abzubauen“, betont Müller.
Und noch eine Botschaft ist ihm wichtig: „Dass man, egal was passiert, immer weitermacht. Sich Sachen traut, die man sich früher nicht getraut hat.“ Er selbst ist das beste Beispiel. Einmal sollte er als Schulelternsprecher eine Rede vor 300 Menschen halten, und das mit nur zwei Tagen Vorlauf. „Ich hätte es nicht machen müssen, aber ich habe zugesagt“, so Müller. „Ich kann nicht zu meinen Kindern sagen, dass sie mutig sein sollen, und es selber nicht sein!“
Das Interview führte Barbara Euler für Youlife.Rocks
Zum Schulprojekt von Peter geht es hier
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Comments
Sorry der Bericht war nicht freigeschaltet - jetzt aber ;-)!!!