Da schon viele meiner Vorgänger in ihren Erfahrungsberichten ausführlich über die gewöhnlichen Formalitäten vor der Abreise wie etwa Visum, Flug oder die Registrierung an der UT schrieben, möchte ich hierfür auf deren Berichte verweisen und stattdessen näher auf die zusätzlichen Vorbereitungen aufgrund meiner Behinderung eingehen.
Zuerst habe ich mich um eine Auslandskrankenversicherung gekümmert. Hierbei ist Folgendes zu beachten. Alle Versicherungen, die ich kontaktiert habe, haben mich zwar zu den normalen Konditionen für die Zeit im Ausland versichert, allerdings sind nur Neuerkrankungen dadurch gedeckt. Das bedeutet, dass auf Grund von chronischen Erkrankungen notwendige Krankenhausbesuche wie beispielsweise regelmäßig notwendige Untersuchungen oder Therapien nicht enthalten sind. Dies war bei mir allerdings für die Zeit des fünfmonatigen Aufenthalts nicht nötig, da ich alle notwendigen Untersuchungen noch kurz vor meiner Abreise in Deutschland habe durchführen lassen.
Des Weiteren ist zu beachten, dass die heimische Krankenkasse für Auslandsaufenthalte außerhalb der EU ab der siebten Woche nicht mehr für die Versorgung des Versicherten zuständig ist. Das heißt, dass die Kosten für regelmäßig notwendige Medikamente oder etwa Hilfsmittel dann selbst getragen werden müssen, da die Auslandskrankenversicherung diese Kosten auch nicht deckt. Ich habe mich deshalb während des halben Jahres vor der Abreise mit einem möglichst großen Vorrat an nötigen Medikamenten und Hilfsmitteln versorgt, um die zusätzlich entstehenden Kosten im Rahmen zu halten. Darüber hinaus erhielt ich aber auch nach der siebten Woche kein Pflegegeld mehr. Da ich die entstehenden Kosten für die nötige Pflege nicht selbst tragen konnte, wandte ich mich dann an Stiftungen. Hier kann ich die Dr. Willy Rebelein Stiftung
empfehlen, welche Studenten mit Behinderung jeglicher Art mit bis zu 350€ im Monat unterstützt. Zusätzlich habe ich mich an einige querschnittspezifische Stiftungen gewandt und konnte somit die Kosten für die Pflege während der fünf Monate decken. Für die Pflege selbst habe ich schließlich einen Pflegedienst in Austin gesucht. Aus den verschiedenen Pflegediensten in Austin habe ich mich letztlich für Brightstar entschieden, welche zwar relativ teuer sind, aber einen sehr guten Service bieten und meiner Meinung nach zuverlässiger als die deutschen Pflegedienste arbeiten.
Dann kaufte ich mir von Deutschland aus über eBay ein Pflegebett, das ich benötige. Denn insgesamt ist es günstiger, sich ein Pflegebett zu kaufen und es am Ende des Aufenthalts über Craigslist wieder zu verkaufen, als es für die Dauer zu mieten.
-- Sebastian Wächter
Die Suche nach einer Unterkunft hat bei mir recht viel Zeit in Anspruch genommen, da ich eine befahrbare Dusche benötigt habe. Ich bin schließlich bei der Organisation ICC Coops Austin fündig geworden, welche über zwei Coops mit rollstuhlgerechtem Zimmer und eben auch Badezimmer mit befahrbarer Dusche verfügen. Diese speziellen Zimmer sind auch bis zu einem gewissen Zeitpunkt für Studenten mit Behinderung reserviert. Man sollte sich also frühzeitig informieren, bevor die Zimmer dann für alle Studenten freigegeben werden. Das Besondere an den ICC Coops ist, dass sie lediglich eine Größe zwischen 20 und 30 Studenten haben, wohingegen in den anderen Coops meist zwischen 120 und 180 Studenten wohnen. Die Miete für ein Doppelzimmer betrug 564$, wobei darin auch fünf Abendmahlzeiten sowie gefüllte Kühlschränke enthalten sind. Dafür wird man zwischen drei und vier Stunden pro Woche für Hausarbeit wie beispielsweise Kochen, Putzen oder Einkaufen eingeteilt. Möbliert sind die Zimmer leider nicht, aber die früheren Bewohner lassen oft Möbel zurück oder verkaufen sie günstig. Zudem wird zu Beginn jedes Semesters eine Art Flohmarkt in Austin organisiert, an welchem man günstig oder sogar umsonst Möbel bekommt, hierfür sollte man sich allerdings frühzeitig umschauen. Ich bin schließlich in das „Arrakis Haus“ eingezogen und lebte dort mit 21 anderen Studenten, welche sich aus circa einem Drittel internationaler und zwei Drittel amerikanischer Studenten zusammensetzten. Die Atmosphäre und das Zusammenleben dort habe ich als sehr harmonisch erlebt, da man sehr schnell Anschluss findet und sich durch die überschaubare Anzahl an Bewohnern auch recht enge Freundschaften entwickeln. Zudem ist die Lage des Coops perfekt.Allerdings musste ich meine Standards für Sauberkeit herunterschrauben und mich an die Lautstärke im Haus während der Nacht gewöhnen. Für ein oder zwei Semester ist das Coop allerdings sehr zu empfehlen, vor allem auch im Hinblick auf die Mietkosten.
Im Hinblick auf den Flug ist erwähnenswert, dass Delta Airlines bis zu fünf Teile „medical luggage“, also behinderungsbedingtes Mehrgepäck, kostenfrei erlaubt. Das kann bei anderen Airlines sonst ein Problem werden. Für die Fahrt vom Flughafen in Austin zu meinem Coop habe ich außerdem die Studentenorganisation Planet Longhorn kontaktiert, da ich mit meinem vielen Gepäck nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren konnte. Eigentlich bietet Planet Longhorn ihren kostenlosen Shuttle-Service vom Flughafen für internationale Studenten aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr an, allerdings haben sie wegen meiner besonderen Situation eine Ausnahme gemacht.
Nachdem man diese zugegeben stressigen Schritte hinter sich gebracht hat, kann der Spaß endlich beginnen…
Universität
Ich kann jedem Studenten empfehlen, eine Woche, bevor die ganzen Einführungsveranstaltungen beginnen, nach Austin zu reisen. Das gibt einem die Möglichkeit, sich schon etwas einzuleben, die Stadt zu erkunden und erste Kontakte zu knüpfen. Wenn die Veranstaltungen und Vorlesungen nämlich erst einmal begonnen haben, ist sehr viel los und man ist gut beschäftigt.
Der Besuch der Einführungsveranstaltungen für die internationalen Studenten ist außerdem eine gute Gelegenheit, um neue Leute kennen zulernen. Auch wenn sich die Informationen dort des Öfteren doppeln, kann ich jedem raten, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und andere „Internationals“ zu treffen.
Als internationaler Student ist man als Undergraduate an der UT eingeschrieben. Da ich mich bereits im Master meines Studiums befand, waren für mich lediglich Graduate Kurse interessant. Um für diese als Undergraduate zugelassen zu werden, musste ich mir hierfür von den entsprechenden Kursleitern und vom „Graduate Advisor“ meiner Fachrichtung eine schriftliche Erlaubnis einholen. Im Fachbereich Mathematik war dies bei keinem Fach ein Problem, allerdings soll es Fachrichtungen geben, die dem nicht so leicht zustimmen. Als Graduate sind mindestens neun Semesterwochenstunden verpflichtend.
Nach einiger Recherche habe ich mich für die Kurse „Stochastic Processes“, „Actuarial Statistic Estimates“ und „Regression Analysis“ entschieden. Mit drei Graduate Kursen ist man dann auch umfassend ausgelastet. Aufgrund meiner Behinderung und der Tatsache, dass ich als internationaler Student, der nur ein Semester in Austin verbringt, auch viel über Land und Leute erfahren wollte, habe ich mich letztlich dazu entschieden, das Fach „Stochastic Processes“ nicht zu besuchen. Denn als Student mit Behinderung ist es in Absprache mit dem SSD (Service for Students with Disabilities) auch möglich, nur sechs Semesterwochenstunden zu belegen.
Stattdessen habe ich noch den Kurs „Weight Training“ im Bereich Physical Education gewählt.
Der Kurs „Actuarial Statistic Estimates“ ist eine Mischung aus Versicherungsmathematik und Statistik und eignet sich meiner Meinung nach sehr gut für Wirtschaftsmathematiker.
Ich empfand den Kurs als sehr interessant, da Professor Dr. Maxwell sehr angenehm ist und den Kurs interaktiv gestaltet. Es wurden zweimal im Semester Gruppen mit jeweils fünf Studenten eingeteilt, dabei erhielt jede Gruppe ein Themengebiet aus dem „Textbook“ und war dann dafür verantwortlich, das Thema eine Woche lang den anderen Studenten zu präsentieren (Theorie, Anwendung, Hausaufgaben). Es hat sehr viel Spaß gemacht und die Studenten hatten dadurch sehr viel Kontakt untereinander. Zusätzlich gab es noch ein „Midterm“ und ein „Final Exam“. Ich konnte mir das Fach für Statistische Analysis bei Prof. Falk anrechnen lassen.
Der Kurs „Regression Analysis“ von Dr. Hersh war hingegen eher als Frontalunterricht ausgelegt, dennoch wurde der Stoff praxisnah vermittelt. Als Hausaufgaben mussten meist Programmierungen in SAS durchgeführt werden und es gab insgesamt drei Examen. Auch dieses Fach war sehr interessant und in Deutschland konnte ich es mir als Ökonometrie 1 bei Prof. Kukuk anrechnen lassen.
Zusätzlich kann ich jedem Studenten empfehlen, einen Kurs im Bereich „Physical Education“ zu belegen. Das Angebot ist wirklich riesig. Mein „Weight Training“-Kurs gab mir eine tolle Gelegenheit, zweimal pro Woche zum Frühsport zu gehen. Der Kursleiter war sehr offen und hat sich engagiert auf mich und meine Behinderung eingestellt. Die Atmosphäre war immer locker und man kam schnell mit den anderen Studenten in Kontakt.
Das Befahren der Uni mit dem Rollstuhl ist überhaupt kein Problem gewesen, denn jedes Uni-Gebäude ist barrierefrei und falls es irgendwelche Probleme geben sollte, kann man sich jederzeit an den SSD wenden. Studieren im Rollstuhl ist dort deutlich entspannter als in Deutschland.
Es gibt genügend Möglichkeiten, in Austin seine Freizeit zu verbringen. Da ich ein Fan der NBA und NFL bin, habe ich mit amerikanischen Freunden viel Zeit in diversen Sportsbars in Austin verbracht. Dort kann man mit Bier und Chicken Wings jedes US-Sportereignis verfolgen. Des Weiteren bieten die Spiele der Sportteams der UT eine tolle Möglichkeit, live Sport zu sehen – insbesondere die Heimspiele des Football Teams sind ein Highlight. Vor jedem Spiel trifft man sich zum sogenannten „Tailgating“, dort gibt es BBQ sowie Bier. Das Spiel selbst findet in einem Stadion mit 100.000 Menschen Fassungsvermögen statt, die Stimmung ist wirklich genial. Ich kann nur jedem empfehlen, ein solches Ereignis mindestens einmal mitzumachen. Wer regelmäßig zu den Sportereignissen der UT wie etwa Football, Basketball oder Volleyball gehen möchte, für denjenigen lohnt sich das „Big Ticket“. Es kostet 190$ und damit hat man dann Zugang zu allen Sportveranstaltungen während des ganzen „Academic Year“. Zusätzlich bin ich noch mit Freunden für ein Wochenende nach Houston gefahren, um mir ein NBA-Spiel der Rockets gegen die Mavs anzuschauen, das ist für jeden Basketball-Fan ein Muss.
Neben Sport gibt es in Austin noch unzählige gute Restaurants. Da lohnt es sich, Freunde zu haben, die aus Austin stammen, denn diese kennen viele Geheimtipps. Nicht wirklich ein Geheimtipp ist Franklin´s BBQ, aber dennoch kann ich jedem Fleischliebhaber dazu raten, einmal dort zu essen. Man muss bis zu vier Stunden (unter der Woche wartet man nicht ganz so lange) warten, um sein Essen zu bekommen, aber es lohnt sich definitiv und es ist das beste BBQ, das ich je gegessen habe. Wer nicht ganz so lange auf sein BBQ warten möchte, dem kann ich das Restaurant „La Barbecue“ empfehlen.
Im Hinblick auf das Nachtleben in Austin gibt es außerdem vielfältige Angebote. Egal ob Coop-Partys in West Campus, Partys von internationalen Studenten von Planet Longhorn oder Clubs und Bars um die 6th Street herum – es ist fast immer etwas geboten. Bei den Partys kann es durchaus sein, dass man mit dem Rollstuhl einige Stufen überwinden muss, aber da hilft einem jeder gerne, wenn man nett fragt. Das Besondere an Austin ist auch die Vielzahl an Live-Music-Events, auch hier ist von Country bis Hip Hop für jeden etwas dabei. Ein Muss ist meiner Meinung nach auch, eines der beiden großen Musik-Festivals „ACL“ oder „FunFunFun“ zu besuchen. Diese dauern jeweils von Freitag bis Sonntag und bieten wirklich eine einmalige Kombination aus sehr guten Live-Acts und toller Atmosphäre. Ich selbst war auf dem „FunFunFun“-Festival, welches nicht ganz so überlaufen ist wie das „ACL“-Festival. Zudem werden nach dem Ende des Festivaltages bei „FunFunFun“ ab 22Uhr noch viele Aftershowpartys Downtown angeboten, zu denen man mit seinem Festivalbändchen kostenlos Zugang hat. Das war definitiv eines meiner Highlights in Austin.
Ein weiteres Highlight war, dass ich Thanksgiving im Kreise einer amerikanischen Familie miterleben durfte. Thanksgiving ist in den USA einer der wichtigsten Feiertage. Ein Freund, der auch in meinem Coop wohnte, hat mich und noch zwei weitere deutsche Studenten eingeladen, dies mit seiner Familie zu feiern. Es war ein tolles Erlebnis und wer die Chance dazu bekommt, sollte dem auf jeden Fall zustimmen.
Das Auslandssemester in Austin war für mich wirklich eine wunderschöne Zeit, man erlebt so viel Neues und lernt viele neue interessante Menschen kennen. Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie viel – trotz einer Behinderung wie meiner – noch möglich ist. Natürlich bedeutet ein Auslandssemester mit Behinderung deutlich mehr Aufwand, als es ohne Behinderung schon der Fall ist, und sicherlich gibt es Momente, in denen Sachen nicht so funktionieren wie geplant, aber letztlich zahlt sich das alles aus. Spätestens wenn man dann mit einem Bier in der Hand mit acht anderen Studenten aus fünf Nationen einer tollen Live-Band bei strahlendem Sonnenschein zuhört, werdet ihr es merken😃.
Bei Fragen könnt Ihr euch gerne bei mir melden:
Email: clay27@gmx.net
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Wenn Dur wissen willst, wie Sebastian Menschen zum Umdenken anregt – dann solltest Du hier einmal vorbei sehen www.barrierfrei-im-kopf.de
Original von Sebastian Wächter – geschrieben von Alexander Lang für YouLife