5.10.2022 - Abflug in Frankfurt und Flug nach Cancun
Unser Flug mit der Condor startet kurz nach 12 Uhr mittags (deutsche Zeit) in Frankfurt. Ich fliege gemeinsam mit meinen Eltern. vom Reisebüro wurde ich als Passagier im Rollstuhl vorangemeldet.
Wichtig ist hierbei, dass ihr euch nicht überschätzt, was für Hilfe ihr (nicht) benötigt. Im Zweifelsfall lieber dann vor Ort und situationsbedingt sagen, wenn etwas doch "allein" möglich ist. Das Procedere lief in meinem Fall vorschriftsmäßig ab. Der Groundservice hilft mir bei der Gepäck-/Sicherheits-/Passkontrolle und ich werde mittels Hubwagenshuttle im eigenen Rollstuhl bis zur Flugzeug-Türe gebracht. Meine Begleiter und ich dürfen als Erste in die Maschine. Ein Flugzeugrollstuhl ist auch an Bord. Die Gänge sind bei unserer Boeing 763 ziemlich eng. Der Flug an sich verläuft ruhig und ohne besondere Zwischenfälle. Über den (im Vergleich zu früher) stark reduzierten Service in der herkömmlichen Economy lässt sich streiten, wer mehr möchte, kann zumindest bei Condor "Premium Ecpnomy" buchen oder gegebenfalls einzelne Leistungen an Bord kaufen (zum Beispiel einen Zugang zu einer größeren Filmauswahl).
Es gibt an Bord des Flugzeugs in der Economy 3 Toiletten (Nach der Bestuhlung der Economy waren zwei kleine Kabinen (ein Fußgänger kann sich auf der Stelle tretend umdrehen) auf jeder Seite und im Mittelgang eine minimal größere Toilette, mit zwei ganz kleinen Haltegriffen. In die größere Kabine bin ich mit meiner Begleitung an der Hand hingelaufen und kann dann die größere Toilette benutzen. Eine zweite Person passt aber nicht rein. Da das Personal laut Vorschrift Passagiere mit dem Bord-Rolli maximal bis zur Flugzeugtüre bringt bin ich froh in diesem Fall jemanden dabei zu haben. Alternative wäre eine Windel oder ein Urinalkondom mit Beutel am Schienbein. Ich muss aber dazusagen dass mir auf dem Gebiet die Erfahrung fehlt.
Ich habe meinen Sitzplatz bei diesem Flug in der Mitte der mittleren Reihe (Das Flugzeug hat in der Economy 3 Reihen mit je 3 Sitzen), meine Sitznachbarn können also im Ernstfall nach links beziehungsweise rechts "flüchten" beziehungsweise "sich retten", deshalb ist wohl laut Boardpersonal auch nicht zwingend ein Sitzplatz am Fenster notwendig. Mir ist es auch nicht wichtig.
6.10.2022 Ankunft in Mexiko, Transfer zum Hotel
Nach 12 Stunden Flug und "zurückgewonnenen" 7 Stunden durch die Zeitverschiebung, sind wir gut am Flughafen Cancun gelandet. Mein eigener Rollstuhl wird mir bis zur Flugzeugtüre gebracht. Der Flieger ist über einen "Finger" angedockt. Dann werden wir sozusagen "stehen gelassen". Auf meine Frage hin an den Groundservice, wie der Ablauf sei, ist die Antwort ich müsse nun zur Einreisekontrolle und dann zur Gepäckausgabe. Damit ist für sie die Sache erledigt. Das kenne ich von anderen Flughäfen definitiv anders, aber da ich in Begleitung war, war es für mich okay. Prinzipiell muss ich sagen, dass alle am Flughafen sehr freundlich sind und jeder fließend Englisch konnte.
Zur Einreise in Mexiko empfehle ich, die Einreise-Formaltäten vorab schon online zu erledigen, dann ist am Flughafen alles entspannter. Am Flughafen laufen bei der Zollabfertigung Fahnder mit Drogenspürhunden herum, die einen kurz abschnüffeln. Für jemanden wie mich mit Hundephobie war das kurz eine Mutprobe, aber die Hunde sind super erzogen.
Vor dem Terminalgebäude befindet sich der Busparkplatz. Ich habe bewusst keinen extra Transfer geordert, da ich in einen Bus noch einsteigen kann. Hier sind es aber sowieso lauter Kleinbusse (etwa die Größe eines Sprinters) und keine großen Omnibusse, wie es in manchen Urlaubsdomizilen üblich ist.
Nach circa 30 Minuten Fahrzeit erreichen wir das Hotel RIU Palace Riviera Maya.
Das Hotel RIU Palace Riviera Maya
Allgemeines
Das Hotel RIU Palace Riviera Maya liegt in Playa del Carmen in direkter Strandlage und hat 5 Sterne in der Landeskategorie. Das Hotel wurde vor 2019/2020 komplett renoviert. Die Gästeklientel ist überwiegend aus den USA und Großbritannien, vereinzelt aber auch aus dem deutschsprachigen Raum und den Niederlanden. Das Hotel bietet ausschließlich 24-Stunden all-inklusive an.
Das Hotel besteht aus mehren einzelnen, teils mehrstöckigen Gebäuden innerhalb einer schönen parkähnlichen Anlage. Geländebedingt gibt es zum Teil Höhenunterschiede, die aber nur minimal sind.
Zimmer/Unterbringung
Ich bin in einer "Handicapped Junior Suite" untergebracht (Zimmer 162). Die "Handicapped Junior Suite" liegt im Erdgeschoss des Hauptgebäudes. Das Gebäude ist über eine langgezogene, nicht zu steile Rampe zu erreichen.
Die Suite umfasst ca. 35m² und besteht aus einem Schlaf-/Wohnbereich und einem barrierefreien Badezimmer, sowie einem kleinen Balkon.
Der Boden ist gefliest mit Fliesen die aussehen wie Parkett. Explizit rutschfest sind sie nicht, vor allem bei Nässe bitte besonders aufpassen
Die Türen der Suite sind ca. 90cm breit, mit meinem Proactiv Traveler gut zu passieren. Die Eingangstür ist mit einem sehr schwergängigen Türschließer ausgestattet, für mich, mit mäßig Kraft und eher schlechter Kondition, trotzdem machbar. Vielleicht lässt sich der aber noch einstellen.
Wohn- und Schlafbereich
Mein Bett ist ein trennbares Doppelbett, welches ich als verhältnismäßig hoch empfunden habe. Das Bett ist, soweit ich sehen konnte, unterfahrbar (als Größenvergleich für die Lücke habe ich mal ein
Smartphone hingestellt).
Am Bett steht auf jeder ein Nachttisch, auf einem Nachttisch ein schnurgebundenes Telefon. Die Suite verfügt des weiteren noch über eine Minibar (gut erreichbarer kleiner Kühlschrank auf dem Boden). Der Kühlschrank ist mit einer Holzkonstruktion überbaut - auf der Konstruktion steht eine kleine Kaffeemaschine, ein Wasserkocher und eine Auswahl an Kaffee. Zu bemängeln ist die viel zu hohe Positionierung der Zapfanlage für Vodka, Bacardi et cetera. Aus dem Rollstuhl heraus für mich nicht zu erreichen.
Die Klimaanlage (grundsätzlich zentral gesteuert) ist über eine Konsole an der Wand neben der Badezimmertür bedienbar. Die Montagehöhe ist mit gefühlten 1,50m über Boden okay, so dass ich sie selbst vom Rollstuhl aus einschalten und ausschalten konnte. Die Suite verfügt über einen großen Deckenventilator, der sich mittels eines Kippschalters am Bett ein-/ausschalten lässt.
Das große Sideboard gegenüber dem Bett ist gut zu erreichen (zwischen Bett und dem Board kann ich problemlos mit dem Traveler durchfahren, geschätzt mindestens 90cm lichte Breite), ebenso die Koffer-Ablage. Der daneben befindliche (Schreib)tisch (an dem ich gerade diesen Artikel schreibe) war gut mit dem Rolli zu unterfahren.
Über dem Sideboard ist ein großer TV montiert. Dieser lässt sich vom Bett aus bequem mit der Fernbedienung steuern.
Die Suite verfügt über einen großen Einbauschrank, in dem auch der Safe untergebracht ist. Der Schrank ist gut über Schiebetüren zu öffnen. Im Schrank steht der Safe auf einem kleinen Podest, dass zwei gut erreichbare Ablagefächer beinhaltet. Des weiteren ist auch ein Bügelbrett und Bügeleisen gut erreichbar im Schrank mittels Halterung verstaut. Punktabzug gibt es für die zu hohe Positionierung der Kleiderstangen, diese sind für mich aus dem Rollstuhl heraus ohne fremde Hilfe nicht zu benutzen.
Balkon
Der Balkon ist ohne Stufe über eine ca. 90 cm breite Schiebetür aus dem Zimmer heraus zu erreichen. Manko ist hier die zusätzliche Türverriegelung (Einbruchsschutz), die sehr hoch angebracht ist, für mich aus dem Rollstuhl heraus nicht zu bedienen.
Badezimmer
Das Badezimmer verfügt über einen großen unterfahrbaren Waschtisch mit zwei Waschbecken und Einhand-Mischer für die Wassertemperatur. Hinweis an dieser Stelle: Das Wasser in Mexiko ist kein Trinkwasser - benutzt auch nur zum Zähneputzen am besten stilles Wasser aus eurer Minibar.
Die Toilette ist sehr niedrig angebracht. Von der Toilette aus gesehen rechts ist ein Haltegriff fest montiert, ebenso ein diagonal ausgerichteter Haltegriff über dem Spülkasten. Von der Toilette aus gesehen links ist ein klappbarer Haltegriff angebracht. Daneben ist genug Platz um den Rolli zu parken und durch die Höhe der Toilettenschüssel lässt sich vermutlich auch gut auf die Toilette rutschen (hier fehlt mir aber die Erfahrung).
Die befahrbare Dusche ist im Gegensatz zum restlichen Teil der Suite rutschfest gefliest. Der Bereich lässt sich durch einen Duschvorhang gut verschließen beziehungsweise vom Bad abtrennen, auch damit nach dem Duschen nicht alles unter Wasser steht. Testweise bin ich mit meinem Rollstuhl in die Dusche rein gefahren, was problemlos möglich war. Zum Duschen habe ich allerdings einen mobilen Duschsitz vom Hotel verwendet. Dieser ist leicht, sehr solide, höhenverstellbar und hat eine Rückenlehne. Im Mittelteil der Dusche ist ein langer Handlauf angebracht, leider fängt er nicht direkt am Eingang der Dusche an und ist nicht durchgängig. Ich verwende daher den Duschsitz als "Gehhilfe" und stütze mich an der Wand ab. Duschen war für mich so selbstständig möglich. Die Dusche selbst verfügt über eine Regenschauer-Brause und zusätzlich über eine höhenverstellbare Handbrause. Die Temperatur wird über einen Einhand-Mischer geregelt. Über einen Zug-Drück-Schalter an der Armatur lässt sich zwischen der Regenschauer-Brause und der Handbrause nahtlos umschalten.
Außenanlagen, Restaurants, Poolanlage & Strandzugang
Selten erlebe ich eine so barrierefreie Anlage in einem Hotel,das nicht gleichzeitig den ureigenen "Charme" einer Reha-Einrichtung versprüht. Ich vermute, dass hier ganz klar den Gästen aus USA Rechnung getragen wird. Ohne ADA ("Americans with_Disabilities Act")-Konformität kommt man dort meines Wissens schlichtweg nicht in den Katalog der Reisebüros.
Zu den einzelnen Gebäuden, in denen die Zimmer liegen führen mehrere Rampen. Die Restaurants und die "La Plaza" mit der Showbühne, sind alle ebenerdig erreichbar. Beim Pool(restaurant) "Chili's", welches auch über Rampen befahren werden kann, befindet sich eine Rolli-Toilette (zusammen mit dem Wickelraum - Bilder in der Galerie).
Die Theken mit dem Essen in den Restaurants sind aus meiner Sitzhöhe gerade noch so selbstständig handlebar. Das Personal ist aufmerksam, proaktiv wenn es um das Helfen geht, aber keinesfalls aufdringlich oder gar übergriffig - also überhaupt kein Thema nach Hilfe zu fragen, wenn es nötig oder gewünscht ist. Getränke werden in den Hauptrestaurants generell an den Tisch gebracht, aber auch am Pool-Restaurant oder der Lobbybar heißt es gleich "I'll bring it for you to the table".
Generell, finde ich, legen die Mexikaner:innen eine große Portion Herzlichkeit und Wärme an den Tag und freuen sich ehrlich/aufrichtig, wenn sie mit einem Lächeln oder mit ein paar Brocken spanisch wahrgenommen werden.
Die Poolanlage umfasst 4 einzelne Pools. Sie verfügen alle entweder über einen Zugang per Steinrampe oder über breite, niedrige gemauerte Treppenstufen, jeweils mit Geländer (die Geländer weisen zum Teil Lücken auf, da es hier wie so eine Art Plateau gibt). Eine Ausnahme bildet hier der Pool mit dem Volleyballnetz, neben dem Fittnessbereich "RIUfit", der verfügt nur über eine Metalleiter als Einstieg.
Einen Pool-Lifter konnte ich fest verbaut leider nirgends entdecken. Nach Rücksprache mit der Rezeption kann aber über einen externen Dienstleister auch ein wassertauglicher Rolli gemietet werden (ähnlich wie beim Strand-Rollstuhl weiter unten). Wer so etwas benötigt und nicht selbst mitbringt, sollte sicherheitshalber vor Reiseantritt nochmal nachfragen.
In manchen Pools befinden sich gemauerte Liegen. Ich konnte mich Dank dem Wasser gut hochziehen Die Pools sind alle zwischen 45cm und 1,25m tief Der Bereich der Bar im Pool(!), auf der Rückseite des Pollbar-Gebäudes "Cancun" ist 1m tief. Hier gibt es neben besagten Liegen auch noch gemauerte (Steh-)tische und gemauerte Barhocker und man kann seinen Drink im Pool genießen.
Der Zugang zum Strand ist direkt am Hotel. Mangels festem Boden ist das mit dem eigenen Rollstuhl nicht machbar. Nach Rücksprache mit der Rezeption können aber bei Bedarf innerhalb kürzester Zeit u.a. Strandrollstühle (die mit den Ballonreifen) bei einem externem Dienstleister (auch gleich für mehrere Tage) gemietet werden.
Fazit
In diesem Hotel wird, vor allem im europäischen Vergleich gesehen, sehr sehr viel richtig gemacht, was Barrierefreiheit und als Folge auch Inklusion angeht. Dies ist von den baulichen Gegebenheiten vermutlich auf jeden Fall auch dem ADA (siehe weiter oben) geschuldet. Aber es ist definitiv so, dass sehr viel mehr von den Menschen vor Ort möglich gemacht wird, denen es ein wirkliches Anliegen ist, euch eine schöne Zeit zu bereiten. Deshalb meine ganz klare Empfehlung; Lasst euch auf Land und Leute ein, auch wenn es nicht immer zu 100% passt. Ihr werdet es positiv 3-fach zurück bekommen. In diesem Sinne, "hasta la vista Mexico " .