Corona zerschlägt viele Pläne. Welche Pläne hast du grade? Gibt es Wettkämpfe, für die du trainierst?
Corona zerschlägt alles, nicht nur Pläne! Meine sportliche Laufbahn ist seit letzten Sommer aufgrund von gesundheitlichen Plänen unterbrochen. Bis dahin hatte ich ein klares Ziel und das war die Teilnahme an den Paralympics 2020 in Tokio. Aufgrund der Pandemie wurden sie wie alle anderen Events auf 2021 verschoben, aber ich kann nicht mehr teilnehmen, da ich mich nicht ausreichend vorbereiten konnte. Ich hoffe aber immer noch, eines Tages wieder im Rennen zu sein und an zahlreichen Handbike-Wettkämpfen teilzunehmen, so wie früher. Aber die Pandemie behindert mich noch in vielem mehr. Besonders leide ich unter den Reisebeschränkungen, die bedeuten, dass ich nicht nach Rumänien reisen kann, um meine Familie zu besuchen. Es ist wirklich hart, so lange von der Familie getrennt zu sein, das macht mich noch ganz verrückt.
Wie hast du die Liebe zum Handbiken entdeckt und was liebst du so daran?
Ich kam mit diesem großartigen Sport Anfang 2017 in Kontakt, als eine Gruppe Handbike-Athleten aus Brescia mich mal eines ihrer Bikes ausprobieren ließ. Als ich zu kurbeln begann, verliebte ich mich sofort. Ich verliebte mich in dieses Gefühl von Freiheit, dass das Bike dir gibt. Außerdem gibt mir das Bike die Möglichkeit, eine ganz neue Welt kennenzulernen, zu reisen und jede Menge wunderbare Menschen zu treffen.
Dein zweites Standbein ist das Modeln für die berühmte Agentur Iulia Barton, für die du unter anderem bei der Mailänder Modewoche aufgetreten bist. Was musstest du lernen, um professionelles Rollstuhlmodel zu werden? Man denkt bei Models immer an diesen besonderen Gang. Musst du irgendwie besonders rollen oder worum geht es da?
Ich traf Giulia Bartoccioni, die Besitzerin dieser großen inklusiven Model-Agentur, vor vielen Jahren in Rumänien. Im Herbst 2016, nach einer langen Zeit der Depression und nach einem Jahr voll schlimmster Ereignisse, nahm ich ihren Vorschlag an, der Agentur beizutreten und an dem Event teilzunehmen, das sie für die kommende Modewoche organisiert hatte. Ich stimmte zu, weil ich meinem Leben eine positive Wendung geben wollte und Mädchen in meiner Lage kennenlernen wollte, um von ihnen zu lernen, aber auch, weil die Agentur Iulia Barton sich an der Finanzierung der Vertical Foundation beteiligt, welche die Forschung über die Behandlung der Querschnittslähmung fördert. Das war der Moment, indem ich mich der Behindertenwelt öffnete. Ich sah meinen Körper mit anderen Augen und fing an, den Rollstuhl als Teil meines Lebens zu akzeptieren. Es gibt Castings für Teilnahmewillige, aber nach welchen Prinzipien sie die Models aussuchen, kann ich dir echt nicht sagen. Ich sehe mich auch nicht als Supermodel, jedenfalls nicht was Mode betrifft.
Wählst du deine Kleidung jetzt anders aus, wo du weißt, worauf es als Rollstuhlmodel ankommt? Hast du Tipps, wie man sich als Rollstuhlbenutzer bequem und schick zugleich kleiden kann?
Ich wähle meine Kleider nach meinem Geschmack und frage da normalerweise gar keinen. Aber stimmt, als Rollstuhlfahrer passen sogar die Kleider nicht mehr. Es gibt Outfits, die ich nicht so oft tragen kann wie ich eigentlich möchte. Aber unabhängig davon versuche ich modisch immer auf der Höhe zu sein und mich zugleich so behaglich wie möglich zu fühlen.
Italien ist als sehr rollstuhlfreundlich bekannt. Als Vielreisende: Was vermisst du in anderen Ländern? Was können andere Länder von Italien im Hinblick auf Barrierefreiheit lernen? Und betrifft das nur die Gebäude oder geht es da auch um die Leute?
Italien ist überhaupt kein „sehr“ rollstuhlfreundliches Land, aber es ist ein Land, in dem du mit ein bisschen Hilfe ein ganz normales Leben führen kannst. Architektonische Barrieren sind ziemlich häufig in Italien, aber die Leute sind offen und freundlich, viele eilen dir zu Hilfe, wenn nötig. Die Gegend mit der besten Barrierefreiheit, die ich je bereist habe, war Kalifornien – Man kann sagen, dass du da überall ungehindert hinkommst und dir über Barrieren kaum Gedanken machen musst, sei es architektonisch oder in den Köpfen.
Du hast dich nach deinem Unfall durch sieben Jahre Depression gekämpft. Was hat dir am meisten geholfen? Hast du professionelle Hilfe in Anspruch genommen?
Der Schmerz, die Erschöpfung und all das andere Schlechte haben mir gezeigt, dass ich an meinem Leben was ändern muss. Ich hatte es satt, so zu leben. Ich durchlebte eine ganz schön lange Zeit, in der die Depression mich an die dunkelsten Orte brachte, und nachdem das Leben mich wieder einmal auf die Probe gestellt hatte, mit einem ziemlich ernsten Gesundheitsproblem, das mich ins Krankenhaus und in den OP brachte, dachte ich, dass es Zeit wäre, um mein Leben zu kämpfen, mir die Möglichkeit zu verschaffen, glücklich zu sein, egal ob ich laufe oder rolle. Und schau mich jetzt an, ich hab genau die richtige Entscheidung getroffen! Zu den vielen Fehlern, die ich gemacht habe, zählt auch, dass ich keine professionelle Hilfe angenommen habe. Als ich auf Reha war, wollten sie mich überzeugen, dass es besser für mich wäre, wenn ich mit dem dortigen Psychologen reden würde, aber ich sagte Nein. Heute glaube ich, dass meine Lage eine andere wäre, hätte ich professionelle Hilfe angenommen.
Neben deinen Tätigkeiten als Sportlerin und Model unterstützt du auch andere, indem du Krankenhäuser besuchst und an Schulen Vorträge zur Verkehrssicherheit hältst. Wie schaffst du es, dich noch ausreichend um dich selber zu kümmern? Was gibt dir Kraft?
Mit meinen Freunden der Active Sport Leonessa Association an Schulen in Brecia und Umgebung zu gehen und an ihren Aktivitäten teilzunehmen, war eine wundervolle Erfahrung. Den Menschen zu erzählen, was es bedeutet, mit einer Behinderung zu leben – das ist wirklich nötig! Viele Leute wissen nicht, was es bedeutet, und denken, dass wir krank sind und nur ein eigeschränktes Leben führen können. Kindern etwas über Verkehrssicherheit zu erzählen, ist auch sehr wichtig. Weil ich durch einen Unfall im Rollstuhl gelandet bin, kann ich da aus Erfahrung sprechen, aber es geht auch darum, ihnen zu erzählen, dass sie andere Kinder, die eine Behinderung haben, akzeptieren sollen, sie nicht ausgrenzen sollen und vieles andere mehr. Es ist so schön, mit den Kindern zu sprechen, ihre neugierigen Fragen zu beantworten … Leider kann ich das im Moment nicht machen, nicht nur wegen des Virus, sondern auch, weil ich in Deutschland bin und die Sprache nicht so gut spreche. Ich mag’s, wenn ich helfen kann, und würde mich gerne noch mehr im Behindertensport und Ehrenamt einbringen, damit ich Menschen mit Behinderung helfen kann, das Leben zu genießen!
Anderen Hoffnung zu machen ist auch der Grund, warum du deine erstaunliche Geschichte aufgeschrieben hast. Was kannst du uns über dein Buch erzählen und wann kommt es heraus?
Die Autobiographie „Jungle of the Soul“ ist das Aktuellste, womit ich mich beschäftigt habe, in der Zeit, die wir durch Covid bekommen haben, und ich bin wirklich stolz darauf. Das Buch zu schreiben war ganz schön hart. Ich musste mich in frühere Zeiten zurückversetzen, die Leiden meiner Kindheit nochmal erleben, den Tag des Unfalls nochmal erleben und nochmal durch den Leidensweg der Depression gehen, aber ich erlebte auch erneut meinen Triumph – dass ich mein Leben zurückgewann und anfing, die Träume zu leben, die ich in einer verstaubten Schublade weggesperrt hatte, und so die Chance bekam, zu lieben und geliebt zu werden. Ich glaube, dieses Buch kann vielen Menschen helfen. Sie können durch meine Worte inspiriert werden – jedenfalls hoffe ich das! Das Buch ist auf Amazon als E-Book und Taschenbuch erschienen. Ich bin immer noch ganz aufgeregt!
Viel Glück mit diesem Buch und all deinen wundervollen Projekten, Roxana! Danke, dass Du für uns Zeit hattest, und keep on rolling!
Roxana auf Social Media: https://youlife.rocks/user/roxana
Trailer zum Buch “Jungle of the soul”:
https://m.youtube.com/watch?v=XKlKFBGkDtA&feature=youtu.be
Link zum Buch: